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Fiersbarg 8, Hamburg, Nov 2018

Menschenverachtend, zynisch, schwer auszuhalten

Die Bundesregierung hat sich nach langem Zögern und Zaudern bereit erklärt, in der Woche nach Ostern 50 schwer erkrankte, unbegleitete Jugendliche aus Moria/Lesbos aufzunehmen. Warum nicht 45? Oder 60? Welche grenzenlose Weisheit und Expertise hat unsere Volksvertreter*innen zu dem Ergebnis kommen lassen, dass es 50 Jugendliche sein müssen?

Über 100 Kommunen in Deutschland, Landesregierungen, Oppositionsparteien und Initiativen sind dafür, deutlich mehr Geflüchtete aufzunehmen, und zwar sofort. Trotz Corona. Es geht um Menschenleben, Menschenwürde. Der Einwand, 2015 dürfe sich nicht wiederholen und wir müssten in einem europäischen Kontext handeln, ist zynisch und scheinheilig. Lieber geht man das Risiko ein, dass die Geflüchteten dort (noch mehr) erkranken und sterben. Wenn es um „systemrelevante“ Erntehelfer*innen aus Osteuropa geht, sind Landerechte für 40.000 Personen pro Monat kein Problem. Für Geflüchtete aus Moria werden keine Landerechte erteilt.

Eine Europäische Gemeinschaft, die diesen Namen nicht verdient

Vor wenigen Tagen verurteilte der Europäische Gerichtshof Polen, Ungarn und Tschechien, während der so genannten Flüchtlingskrise 2015 gegen geltendes EU Recht verstoßen zu haben. Die drei Länder hätten sich nicht weigern dürfen, EU-Beschlüsse zur Umverteilung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern aus Griechenland und Italien umzusetzen. Ein Strafmaß wurde noch nicht festgelegt, dazu müsste die EU-Kommission das Gericht erneut anrufen und finanzielle Sanktionen beantragen. Dann würde der Gerichtshof die Höhe der Strafe berechnen. Ihr könnt sicher sein, dass da nichts mehr passiert.

Ungarn und Polen halten das Urteil für bedeutungslos, die EU-Kommissionspräsidentin Frau von der Leyen sieht darin eine Orientierungshilfe für die Zukunft. Glaubt Frau von der Leyen wirklich, dass Polen, Ungarn und Tschechien zukünftig vorne dabei sein werden, wenn es um die Aufnahme von Geflüchteten geht? WTF soll das für eine Gemeinschaft/Union sein? Nur einig, wenn es um Kohle geht? Und nicht mal dann…

Ich habe als ehemaliger Leiter einer Erstaufnahme für Geflüchtete erlebt, was es für Menschen bedeutet, nach Flucht oder Vertreibung mit Kindern, Partnern, Eltern oder auch allein in einem „Camp“ angekommen und in Sicherheit zu sein, sich auf geregelte Mahlzeiten, eine ärztliche Versorgung und Menschen verlassen zu können, die helfen wollen. Und einen Asylantrag stellen zu können. Dieses Grundrecht setzen wir zurzeit außer Kraft.

Es sind diese Momente, in denen Verzweiflung der Wut weicht. Wenn Militanz etwas bringen würde, ich wäre dabei! Holt sie alle da raus! Jetzt! Ohne Wenn und Aber!

12. 04. 2020

Aber es wird in diesem Blog natürlich auch um Fluchtursachen, Corona, Klima, Kampf gegen Rassismus und um alle Themen gehen, die euch und mich bewegen.

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8 Kommentare zu „Blog

  1. Alles richtig. Die bürokratische Beschränkung auf zunächst 50 unbegleitete Jugendliche nervt in so einer Frage. Es muß mit Hilfe der Fluechtlingsorganisationen möglich, unkonventionell auch einegroessere Zahl gefährdeter Kinder mit Eltern zügig herzuholen.

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    1. Nein Rainer, nicht „mit Hilfe der Flüchtlingsorganisationen muss es möglich sein“ – die tun seit langem alles Menschenmögliche, um die politischen und bürokratischen Hürden zu überwinden. Es liegt an der Feigheit unserer Politiker, die sich nicht trauen, Entschlüsse zu fassen und durchzustzen.
      Das „nervt“.

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  2. Peter, eine sehr gute Idee, dieser Blog! Ja, hier wird gerade das Grundrecht – Menschenleben, Menschenwürde -total außer Kraft gesetzt, das kann so nicht sein!!

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  3. Sehr gut, Peter. Seit vielen Wochen feilschen die Politiker*innen mit Bla-Bla-Erklärungen, das ist unerträglich! Ich bin empört und frage mich, wie diese Menschen das mit ihrem Gewissen vereinbaren können.

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  4. Vielen Dank Peter! Wohl wahr, die Zahlen um die es geht sind ein Witz. Neben anderem ein trauriger Erfolg der Rechtspopulisten, in deren Richtung sich die Regierung keine Blöße geben möchte.

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  5. Moin Peter
    Gut das in Coronazeiten auch die anderen Dinge noch einen Führsprecher haben.
    Ja das ist ein ein Trauerspiel, das die EU da abliefert. Aus meiner Sicht sollte man den ehem. Ostblockstaaten, die unsere Hilfe gern angenommen haben, jetzt mal zeigen dass es auch anders geht. Die Millionen, da da monatlich aus den EU-Töpfen hinfliessen, sollte man sofort einfrieren, mal sehen wir Gross das Geheule dann sein wird. Und natürlich, die seit Monaten versprochene Aufnahme der Kinder aus den griechischen Lagern umsetzen. Griechenland wird hier zu dem seit Jahren mit dem Flüchtlingsproblem allein gelassen, auch ein EU Versagen.

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