Während meiner Zeit in der Erstaufnahme „Wiesendamm 24“ in Hamburg, einer prekären Unterkunft von November 2015 bis Juni 2016, traf ich einen jungen Syrer, Baraa, bei Ankunft noch keine 18 Jahre alt. Er fiel mir in seiner ruhigen und intelligenten Art positiv auf und ich wusste, wenn er die Mühlen des deutschen Asylverfahrens und der Bürokratie übersteht, wird er seinen Weg gehen. Ich bin dankbar und sehr stolz, dass Baraa sich bereit erklärt hat, einen kurzen Text über seine Flucht aus Syrien und seine Ankunft in Hamburg zu schreiben, den ich hier veröffentliche. Vielen Dank, Baraa.
Von Baraa Alchikh Ali
Flucht aus Syrien, Ankunft in Hamburg
Alles fing an in der Nacht des Ramadans. Ramadan ist in Syrien genauso wie Weihnachten in Deutschland. Es hat immer etwas mit Liebe, Respekt, Geduld und die Zusammenarbeit zu tun. In dieser Nacht war das aber anders, denn das war die Nacht an der ich alles verlassen habe. Mein Zuhause, meine Familie und meine große Pläne.
Mein Bruder ist ein Teil der syrischen Armee gewesen bevor das alles anfing. In dem Moment wo er wusste, dass er Menschen verletzen soll (laut Befehle), wollte er nichts mehr damit zu tun haben. Die Familie hat etwas geplant, um meinem Bruder das Desertieren zu ermöglichen. Der Plan hat Gott sei dank funktioniert. Das Problem war nur wenn die Regierung das herausfindet, wird es nicht so schön für mich enden. Da ich der jüngste in meiner Familie bin, werden sie mich als Rache gefangen nehmen und foltern. Das war der Punkt wo uns klar wurde, dass es nicht mehr möglich ist, in Syrien zu bleiben. Kurz danach haben wir Syrien verlassen und landeten in der Türkei.
Ich habe in der Türkei für 3 Monate gearbeitet und versuchte währenddessen die Sprache zu lernen. Nach ein paar Monaten stellte ich fest, dass meine Pläne Medizin zu studieren und alles andere in der Türkei nicht machbar sind. Da kam die Idee nach Deutschland zu reisen. Ich muss ehrlich sein, ich weiß es nicht ob ich die selbe Entscheidung treffen werde, wenn die Zeit nochmal zurückgeht, so unsicher war ich mit der Situation.
Ich habe mich also dafür entschieden und dafür musste ich fast alles verkaufen was ich habe. Aber mit der Unterstützung meines Bruders war es möglich. Ich habe an dem Tag ein paar Sachen in meine Tasche eingepackt dann verabschiedete ich mich und sah die Tränen in den Augen meiner Mutter. Ich war in einem Bus mit andern Menschen, die Kontakt zu diesem Schmuggler haben und sind gefahren bis wir den Treffpunkt erreicht haben. Es war 3 Uhr morgens und alles war verdammt dunkel. Ich sah wie die 4 Männer das Boot vorbereitet haben und plötzlich waren die Polizei in der Nähe. Alle hatten Panik und fingen an rumzulaufen und zu schreien und ich wusste gar nicht was zu tun ist. Ich wollte einfach zurücktreten aber stattdessen bin ich ins Wasser gefallen. Dann sah ich wie einer der Männer jemanden anruft und in 3 Minuten war die Polizei weg. Da wusste ich dass die definitiv Kontakt zu der Polizei haben. Nach all das dürften wir ins Boot einsteigen und da waren alle so verrückt auf einmal. Ich sah wie sie sich gegenseitig gestoßen haben, um einzusteigen und es war noch schlimmer. Auf dem Weg habe ich Momente erlebt, wo es für mich einfach peinlich war, ein Flüchtlinge zu sein nur weil ich das sah wie viele sich so barbarisch verhalten haben und das alles wegen Essen oder irgendwas zu trinken!
Ich stellte dann fest, dass fast keine von den aus Syrien ist sondern aus Dörfer Afghanistans oder Eritreas und das sehe ich jeden Tag. Viele denken, dass alle Flüchtlinge aus Syrien sind wobei die meisten von den nicht. Ich habe auf dem Weg vieles erlebt und musste stark sein, denn nicht alle waren ´nett´. Ich musste das ertragen wie die ungarische Polizei mich ausgelacht und gedemütigt haben und vieles mehr.
Aber es gab auch viele Organisationen, die wirklich helfen wollten und die ganze Zeit einfach mit einem Lächeln essen verteilt haben. Ich habe mir dann ein Ticket von Wien nach Hamburg besorgt und in Hamburg habe ich mich in Harburg angemeldet. Nach ungefähr 2 Stunden kam ein Bus und ich war in meinem ersten Camp (Flüchtlingslager) Wiesendamm 24.
Es war am Anfang schwierig, weil da wirklich viele waren. Man kann das hören wie Leute streiten, Kinder spielen, Babys weinen und all das gleichzeitig. Das war nicht einfach nachdem man all das erlebt hat und trotzdem keine Pause inzwischen einlegen kann. Aber eine Sache hat das alles tausend mal vereinfacht, nämlich die Mitarbeiter der Johanniter. Peter, Katy, Jasmin, Ali Reza, Kaya, Daniela, Carlos und viele andere! Viele können sagen, dass ich jetzt übertreibe aber wir waren eine Familie und gar nicht mehr fremd. Ich bin nach Wiesendamm 24 in 4 andere Camps gewesen aber die waren nie nah dran zu das was ich in Wiesendamm hatte. Ich meine als Flüchtling, der nur englisch konnte war ich fast ein Teil des Teams und ich schätze das bis heute so sehr.
Freunde in Hamburg zu finden war für mich nie ein Problem. Alle die ich kennengelernt habe waren super nett und freundlich. Ich habe nach 2 Monaten eine Frau kennengelernt sie heißt Anni und wir haben uns immer einmal die Woche getroffen. Sie war immer dabei mir die Sprache beizubringen und Hamburg zu zeigen und sie hat das einfach toll gemacht. Ich habe nach einem Jahr eine Wohnung bekommen und fing an im UKE zu arbeiten. Ich hatte im laufe der Zeit mein Interesse an Medizin verloren aber dafür studiere ich jetzt an der TUHH (Bau-und Umweltingenieurwesen) und bin am Wochenende immer noch im UKE tätig und vor allem zufrieden!
Diese ergreifende und anschauliche Fluchtgeschichte von Baraa gefällt mir sehr gut. Vielen Dank Peter für die Veröffentlichung.
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Lieber Peter,
Danke dass du diesen Blog erstellt hast, ich lese deine Beiträge etc gerne
Die Geschicht von Baraa stellt die Situation von vielen Flüchtlingen dar.
Es ist erfreulich dass Baraa für sich seinen scheren stolperigen Weg Ebenen konnte
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